ADHS, Kofaktoren, GABA

Die Übererregbarkeit bei ADHS macht die Therapie schwieriger. Die zugrunde liegende Stoffwechselstörung lässt sich genau so gut behandeln wie bei ADS, wodurch sich auch die Gehirnfunktion bessert. Aber die Hyperaktivität und Übererregbarkeit kann zunächst bleiben oder sich anfangs sogar verstärken. Einige natürliche Substanzen können helfen, die Hyperaktivität und Einschlafstörungen zu mildern.

Zu viel Erregung – der Mangel an GABA

Bei ADHS wie auch bei ADS steht meist die Stoffwechselstörung Kryptopyrrolurie im Hintergrund.

Die Patienten haben einen ausgeprägten Mangel an Vitamin B6 und Zink, so dass wichtige Neurotransmitter nicht ausreichend gebildet werden können. Das Gehirn kann nicht richtig arbeiten. Reizverarbeitung und Lernfähigkeit sind stark eingeschränkt. Das logische Denken kann sehr gut sein, aber die Betroffene können nichts auswendig lernen (Daten, Wörter, Gesichter – alles schwierig).

Folgende Neurotransmitter sind durch einen Mangel an Vitamin B6 und Zink vermindert:

Dopamin vor allem anregend wichtig für Lernen, Wissen und Konzentration
stimmungsaufhellend und motivierend
Serotonin teilweise anregend,
teilweise hemmend
wichtig für Lernen, Wissen und Konzentration
stimmungsaufhellend und motivierend
macht ruhig, gelassen und zufrieden
angstlösend, entspannend, antidepressiv, schlaffördernd
lindert Hunger und Bedürfnis nach Sex
GABA der wichtigste hemmende Neuro­transmitter im Gehirn hemmt Stresshormone,
angstlösend, muskelentspannend, schlaffördernd krampfmindernd,
hemmt Heißhunger auf Süßes

 

Die Hyperaktivität bei ADHS geht wahrscheinlich vor allem auf den Mangel an GABA zurück. Damit fehlt der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn. Seine Funktion ist, Impulse zu bremsen, die durch andere Stoffe ausgelöst wurden.

In einer Studie wurde gezeigt, dass Kinder mit ADHS tatsächlich weniger GABA haben.

13 Kinder mit ADHS wurden mit 19 gesunden Kindern verglichen (Alter 9-12). Die GABA-Konzentration wurde mittels MRT im Gehirn ermittelt. Die ADHS-Kinder erreichten weniger als 75% der GABA Konzentration von Gesunden. 1)

Das scheint nicht nur der Grund zu sein für die Überaktivität, sondern auch für die Aggressivität der Kinder. Impulse können nicht gebremst werden, weil im Gehirn die Stoffe fehlen, die das tun. Viele Kinder mit ADHS schlagen oft urplötzlich aus einem Impuls heraus ihre Mitschüler oder auch ihre Eltern. Wenn man sie fragt, warum sie das tun erfährt man: Sie sind selbst hinterher erschrocken darüber. Aber der Impuls ist so schnell ausagiert, dass jeder Gedanke an ein Bremsen zu spät kommt. Das Bremsen ist zu schwach. Das ist die direkte Folge des Mangels an GABA.

Warum GABA bei ADHS vermindert ist, konnte bisher noch nicht aufgeklärt werden.

Was passiert nun bei der Therapie mit GABA?

Der Mangel an GABA macht die Behandlung so schwierig. Die Behandlung zielt ja darauf ab, dass der Körper wieder die für ihn so wichtigen Neurotransmitter selbst produzieren kann. Ich tue das, indem ich die Mangelzustände abstelle.

Doch jetzt passiert Folgendes: Dopamin und teilweise auch Serotonin sind anregende Neurotransmitter. Wenn der Körper sie verstärkt bildet, aber der Gegenspieler GABA weiter fehlt, steigt die Erregbarkeit. Das Kind wird unter Umständen zunächst noch aufgedrehter.
Für die Eltern kann das enorm belastend sein.

Weitere bekannte Kofaktoren bei ADHS

Hinweise für weitere Ursachen der Übererregbarkeit liefern die bei ADHS zusätzlich beobachteten Mangelzustände:

Bei ADHS scheint auch ein Magnesiummangel beteiligt zu sein. Magnesium wirkt im Körper entspannend auf Nerven und Muskeln.

Kinder mit ADHS haben signifikant geringere Magnesiumspiegel in den roten Blutkörperchen.

Bei 116 Kindern im Alter 9-12 mit der Diagnose ADHS wurden die Magnesium-Konzentration im Blutserum, in den roten Blutkörperchen und im Haar gemessen. Bei 95% der Kinder fanden sich verminderter Magnesiumwerte. Am deutlichsten im Haar (77.6%), in den roten Blutzellen (58.6%). Am wenigsten deutlich zeigte sich der Mangel im Serum (33.6% der Kinder mit ADHS) (Kommentar OP: Was kein Wunder ist, denn im Serum werden die Nährstoffe aus der Nahrung transportiert – da sieht man nun mal einen Mangel nicht. Gemessen werden müssen Vitalstoffe daher intrazellulär, in den Blutzellen. Messungen im Serum sind ein häufig gemachter Fehler.) Laut Studie findet sich ein Magnesium-Mangel bei ADHS damit häufiger als bei Gesunden. 2)
Einen Magnesiummangel bei ADHS fanden auch diese Studien: 3b), 4)

Wenn man nun Magnesium gibt, kann man tatsächlich eine Besserung beobachten:

2004 erhielten in einer Studie 52 hyperaktive Kinder über 6 Monate Magnesium und Vitamin B6, wobei sich bei allen die Hyperaktivität, Übererregbarkeit und Aggressivität reduzierten und die Aufmerksamkeit in der Schule besserte sich zumindest bei einem Teil. 3)

Eine andere Studie von 2006 zeigte, dass sich durch die Mg-Gabe über 2 Monate die Hyperaktivität, Bewegungsdrang und Aggressivität bei ADHS senkten, während die Mg-Spiegel in den Erythrozyten stiegen. Nach dem Absetzen des Magnesiums fielen die Mg-Spiegel in den Blutzellen innerhalb einiger Wochen wieder ab, und Symptome kehrten zurück. Daraus wurde geschlossen, dass Kinder mit ADHS Magnesium schlecht aufnehmen oder verwerten können und dass daher eine dauerhafte Zufuhr von Magnesium sinnvoll sein kann. 3b)

In einer weiteren Studie wurde ein erhöhter Eisenmangel bei ADHS Kindern gefunden, in einer anderen jedoch nicht.

Ebenso gab es Hinweise, dass die Ernährung Einfluss auf ADHS haben kann
Manche Kinder haben unentdeckte Nahrungsmittelallerien, und beim Weglassen dieser Nahrungsmittel bessert sich die Symptomatik. Da im Hintergrund von ADHS eine Kryptopyrrolurie abläuft, ist das kein Wunder. Eine Kryptopyrrolurie kann durch nitrosativen Stress entstehen, und dieser wiederum entsteht begleitend bei allen Entzündungen. Eben auch bei Entzündungen des Darms.

April 2011 Ergebnisse eines interessanten Projekts aus den Niederlanden: Die Universität Rotterdam hatte gemeinsam mit dem ADHS Research Center in Eindhoven mit 100 ADHS-Kindern im Alter zwischen vier und acht Jahren eine Studie zur Erforschung möglicher Zusammenhänge individueller Nahrungsmittelunverträglichkeiten und ADHS durchgeführt. Die Kohorte wurde in zwei Gruppen unterteilt. 50 Kinder aßen die herkömmliche Kost weiter. Bei diesen Kindern stellte sich keine Veränderung der Symptome ein. Die anderen 50 Kinder erhielten eine vorgegebene, sog. Eliminationsdiät. Sie aßen fünf Wochen lang nur Reis, Gemüse und Fleisch. Nach diesem Zeitraum waren die Symptome von 64 % dieser Kinder verschwunden. Durch trial and error wurde anschließend probatorisch ermittelt, auf welche Nahrungsmittel die Kinder jeweils mit ADHS-Symptomatik reagiert haben. 9)

Ein IgG-Test im Blut hilft bei der Suche nach den gesundheitsstörenden Nahrungsmitteln. Dies erspart eine mühevolle Eliminationsdiät.

Auch eine Zuckerverwertungsstörung ist oft nachweisbar, die sich durch Heißhunger auf Süßes zeigt. Sie führt zu einem einen ständigen Wechsel von Überzuckerung und Unterzuckerung, der für die Kinder sehr belastend ist. In den Unterzuckerungsphasen werden Stresshormone freigesetzt, die zu weiterer Unruhe führen.
Das Zauberwort zur ersten Hilfe heißt LOGI-Kost: mehr gesunde Milchfette essen, möglichst wenig Kohlenhydrate verwenden. Durch geeignete orthomolekulare Therapiemaßnahmen kann die Zuckerverwertung in den Mitochondrien meist wieder in Gang gesetzt werden.

Alle hier genannten Zusatzfaktoren können bei manchen Betroffenen einen Rolle spielen, müssen aber nicht immer beteiligt sein.

GABA

Wie gesagt, spielt der Mangel an GABA wahrscheinlich eine zentrale Rolle für die Übererregbarkeit bei ADHS. Zu GABA kann ich erste spannenende Erfahrungen von Patienten berichten.

1. GABA einnehmen

Seit wenigen Jahren ist GABA als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Die Mutter eines Kindes berichtete, dass ihr Sohn nach einer Gabe GABA am nächsten Tag wie ausgewechselt war. Er war ansprechbar und ging auf die Wünsche der Erwachsenen ein, die ihn sonst gar nicht erreichten. Auch war er viel ausgeglichener und weniger sprunghaft.

Es gibt zumindest eine Studie aus Japan, die zeigte, dass Studenten welche 100 mg GABA einnahmen in einem Mathe-Test besser abschnitten. 6)

A study in Japan (Kyorin University Medical School) used a natural form of GABA known as PharmaGABA made using Lactobacillus hilgardii, a bacteria used to ferment vegetables. Sixty students were given either 100 mg of the GABA supplement or a placebo and then administered a math test. The GABA group provided 20 percent more answers in general and more correct answers than the placebo group, suggesting that GABA increases mental performance.

2. GABA-Anbindung verbessern durch natürliche Substanzen

Spannenderweise können einige natürliche Duftstoffe aus Pflanzen die GABA-Anbindung im Gehirn verbessern. Das Gehirn hat dann mehr GABA zur Verfügung, auch wenn der Mangel an GABA weiter besteht. Über diesen Weg können sie relativ unkompliziert probieren, ob sich über GABA die Hyperaktivität und Übererregbarkeit regulieren lässt.

Jasminduft aus Gardenia jasminoides steigert das Ansprechen der GABA-Rezeptoren auf das 5…10fache, hingegen das Narkosemittel Propofol nur auf das 3…5fache. Die beiden Duftstoffe Vertacetal-coeur (VC) und die chemische Variante (PI24513) haben den gleichen molekularen Wirkmechanismus und wirken genauso stark wie beispielsweise Valium oder das Narkosemittel Propofol. (Screening-Test mit 100 Duftstoffen und ihrer Wirkung auf GABA) Über die Atemluft gelangen die Duftmoleküle von der Lunge ins Blut und werden von dort dann ins Gehirn transportiert. 7)

Auch Lavendel (lavandula augustifolia) steigert das Ansprechen der GABA-A Rezeptoren und verbessert die Schlafzeit. 8)

Eine Mutter, die nichts von diesen Studien wusste, hatte intuitiv einen Versuch mit Lavendel gemacht. Nach einem abendlichen Bad mit Lavendelzusatz schlief ihre Tochter erstmalig schnell ein, sie schlief nachts durch, was sie sonst auch nicht tut. Und sie war am nächsten Tag erstaunlich ausgeglichen.

Was man noch tun kann

Aus dem bisher gesagten ergeben sich Handlungsmöglichkeiten. Die Erregbarkeit bei ADHS kann zusätzlich vermindert werden durch

Zur Erklärung:

Magnesium fehlt oft bei ADHS, und es kann den Einfluss erregender Neurotransmitter im Gehirn vermindern. (Als Gegenspieler von Calcium kann es durch Verdrängung den Ca-Ionen-Einstrom in Nervenzellen vermindern und damit ihre Erregbarkeit.)

Glycin ist eine natürliche Aminosäure, die unter anderem auch als hemmender Neurotransmitter im Gehirn wirkt. Dr. Kuklinski empfiehlt Glycin bei ADHS als abendliche Einschlafhilfe.

Taurin ist eine natürliche Aminosäure, die im Gehirn Erregungen hemmt und Nervenzellen schütz. Taurin verstärkt die Effekte von GABA.

Theanin ist eine Aminosäure aus der Teepflanze. Im Gehirn verstärkt Theanin die hemmenden Wirkungen von GABA und vermindert die Ausscheidung von Serotonin und von Katecholaminen. Es schützt die Nervenzellen, weil es die erregenden Effekte von Glutamat mindert. Bekannt ist die Fähigkeit von Theanin, die erregende Wirkung von Koffein zu dämpfen.

LOGI-Kost verringert den Heißhunger auf Süßes, weil sie den ständigen Wechsel von Überzuckerung und Unterzuckerung vermeidet.

Die Vermeidung von allergenen Nahrungsmitteln reduziert die dauerhafte Entzündung im Darm, und damit den chemischen Stress, der die Kryptopyrrolurie bewirkt.

Weil bei ADS die Bildung von Serotonin vermindert ist, fehlt auch das „Schlafhormon“ Melatonin, das aus Serotonin gebildet wird. Beim Einschlafen spielt es eine große Rolle. Es ist der leistungsfähigste Radikalfänger in unserem Körper.
5 mg Melatonin über 30 Tage bessern die Einschlafzeit bei ADHS von 90 auf 30 Minuten.

Melatonin has shown promising results in the treatment of insomnia in children with ASD. Although controlled studies are limited, there are more data demonstrating the safety and effectiveness of melatonin in ASD than for other sedative/hypnotic drugs. 5)

Homöopathie bei ADHS

Wie im Kapitel ADS beschrieben, stoßen die konventionellen homöopathischen Arzneifindungstechniken bei ADS auf ihre Grenzen. Bei ADHS gilt dies noch mehr, weil die Hauptprobleme biochemische Ursachen haben (vor allem die Übererregbarkeit).

Eine homöopathische Behandlung kann gut anschlagen, muss es aber nicht. Ich habe zwei Fälle erlebt, wo ein Kind mit ADHS nach dem ersten Mittel für einige Wochen wie ausgewechselt, ruhig und entspannt war, das Mittel später aber nicht mehr anschlug.
Auf jeden Fall sind in der Regel mehrere Konsultationen nötig. Es ist wichtig, dass die Eltern oder die Betroffenen mit mir in Kontakt bleiben.

Eine homöopathische Behandlung kann vor allem helfen, die emotionalen Reaktionsmuster und Verhaltensmuster im Alltag zu verlassen, die der Betroffene im Umgang mit seiner Krankheit entwickelt hat.

Die Erfolgsrate einer homöopathischen Behandlung von ADS soll sich mit einer speziellen Methode (Polaritätsanalyse nach Heiner Frei) deutlich steigern lassen (50% Erfolg bei der ersten Verschreibung, steigert sich auf bis zu 80% innerhalb der ersten fünf Konsultationen). Mit dieser Methode sammle ich gerade die ersten Erfahrungen, so dass es für eigene Zahlen noch zu früh ist.

Quellen und Studien

1) Edden RA, Crocetti D, Zhu H, Gilbert DL, Mostofsky SH. „Reduced GABA concentration in attention-deficit/hyperactivity disorder.“ Arch Gen Psychiatry. 2012 Jul;69(7):750-3. doi: 10.1001/archgenpsychiatry.2011.2280.
Link

2) Kozielec T, Starobrat-Hermelin B. „Assessment of magnesium levels in children with attention deficit hyperactivity disorder (ADHD)“ Magnesium Research. 1997;10:143“148. [PubMed]
Pubmed 9368235

3) Mousain-Bosc M, Roche M, Rapin J, Bali JP „Magnesium VitB6 intake reduces central nervous system hyperexcitability in children“ J Am Coll Nutr. 2004 Oct; 23(5):545S-548S
Pubmed 15466962

3b) Mousain-Bosc M, Roche M, Polge A, Pradal-Prat D, Rapin J, Bali JP. „Improvement of neurobehavioral disorders in children supplemented with magnesium-vitamin B6. I. Attention deficit hyperactivity disorders.“ Magnes Res. 2006 Mar;19(1):46-52.

4) Magdy M Mahmoud, Abdel-Azeem M El-Mazary, Reham M Maher, Manal M Saber „Zinc, ferritin, magnesium and copper in a group of Egyptian children with attention deficit hyperactivity disorder“ Published online Dec 29, 2011. doi: 10.1186/1824-7288-37-60
Link

5) Miano S., Ferri R. „Epidemiology and management of insomnia in children with autistic spectrum disorders.“ Paediatr Drugs. 2010 Apr 1;12(2):75-84. doi: 10.2165/11316140-000000000-00000.
Pubmed 20218744

6) kolportiert auf einigen Webseiten nach Dr. Murray und dem Hersteller, aber nirgendwo Angabe der Originalquelle, angeblich Kyorin University Medical School, 2005
Bezug dazu haben könnte eine Studie aus der selben Einrichtung mit einer Pflanze, die den GABA-Haushalt beeinflusst: Isao Nadaoka, Masaaki Yasue, Yasushi Kitagawa, Yoshihiko Koga „Oral administration of Cimicifuga racemosa extract attenuates psychological and physiological stress responses“
Biomedical Research, Vol. 33 (2012) No. 3 June p. 145-152
Link

7) Sergeeva, Kletke, Kragler, Poppek, Fleischer, Schubring, Goerg, Haas, Zhu, Luebbert, Gisselmann, Hatt: „Fragrant dioxane derivatives identify β1 subunit-containing GABAA receptors.“ Journal of Biological Chemistry, 2010 (Abstrakt)

8) Peir Hossein Koulivand, Maryam Khaleghi Ghadiri, Ali Gorji „Lavender and the Nervous System“, Evid Based Complement Alternat Med. 2013; 2013: 681304 doi: 10.1155/2013/681304, PMCID: PMC3612440

9) Pelsser, Lidy in: „Effects of a restricted elimination diet on the behaviour of children with attention-deficit hyperactivity disorder (INCA study): a randomised controlled trial“, Lancet 2011; 377: 494-503,

 

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