4. Differentialdiagnostische Untersuchungsschritte

21. Februar 2008

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Die nachfolgende Beschreibung einer möglichen Differentialdiagnostik ist eventuell nicht vollständig.

Anamnese

  1. Unfall vorausgegangen? Gestürzt?
  2. HWS-Beschwerden (auch subakute), Knacken, Gefühl einer (wiederholten) Fehlstellung?
  3. HWS-Manipulation, Einrenkmanöver?

Untersuchungen

1. Neurologe:

  1. Farbduplex-Sonogramm zum Ausschluss einer Vertebralisdissektion, vertebrobasilären Insuffizienz, diffus-hypoxische Schädigungen
  2. Kernspin-Angiographie (MR-A) der Halsgefäße in Care-Bolus Technik (Begründung: Verdacht auf intermittierender Perfusionsstörung bei occipito-atlanto-axialer Instabilität): Untersuchungsposition: Kopf in Lateralflexion und auch in Rotation;
    Bei translativer oder rotatorischer Subuxation atlantoaxial, z.B. aufgrund von Verletzungen der Gelenkkapseln C1/C2 und/oder Verletzungen der Ligg. alaria, des Lig. apicis dentis, des Lig. cruciatum atlantis, der M. tectoria, oder des vorderen Längsbandes, insb. bei Verletzungen des Dens-Gelenks (Art. atlantoaxialis mediana) mit tänzelnder Dens oder bei Verletzung der Gelenkkapseln CO/Cl mit paradoxer Beweglichkeit des atlantooccipitalen Bewegungssegmentes kann es zu einer Art Kinking/Kompression der Arteria vertebralis mit ausgeprägten Perfusionsstörungen im Bereich der Atlasschlinge, beim Durchgang durch die Membrana atlantooccipitalis posterior oder auf Höhe der Zwischenwirbelgelenke C1/C2 oder C2/C3 kommen


2. Orthopäde:

  1.  Röntgen in 4 Ebenen, sowie Röntgen in Ante- und Retroflexion;
    in AP-Projektion: Dens axis zentriert; eventuell Kopf dann etwas in Lateralflexion: ändert sich die Dens-Atlas­Symmetrie?
  2. Überweisung für MRT der HWS
  3. vom Orthopäden durchfuhren lassen oder ggf. auch vom Hausarzt Überweisung erbeten, um Fachkollegen nicht vor den Kopf zu stoßen:
  4. Überweisung zum Röntgen mit folgendem Inhalt:

    Röntgen HWS: Transorale ‘open-mouth’ Densprojektion in mäßiger Ante- und gleichzeitig massiver Lateralflexion des Kopfes zwecks atlantoaxialer Subluxations­Provokation bei Verdacht auf ligamentäre Verletzung im Bereich der Kopfgelenke, besonders der Ligamenta, alaria.
    DD Integritätsstörung der Gelenkkapseln C0/C1/C2 der Articulatio atlantoaxialis mediana.

    Darstellung der Kondylen des Os occipitale bis C2 komplett. Projektion exakt in AP des Kopfes (Hinweis: Kiefer sollte abs. symmetrisch, Atlas exakt orthogonal zur Frontalebene abgebildet sein, also nicht in Richtung des Gaumens tendierend).

    Bds.

    Vorzugsweise unter Fluoroskopie.

    Dabei: Versuch, die LateralflexionA durch den Radiologen gezielt im Bereich C0 bis C2 zu erwirken. Siehe Abbildung:
    Fragestellung: Ändert sich die Lage des Dens axis ggü. den beiden Massae laterales, bzw. weitet sich der “Gelenkspalt” zwischen lateraler Dens-Grenze und Innenseite der seitlichen Auftreibungen des Atlas? Als Zeichen einer Ruptur eines oder beider Ligamenta alaria, DD Dens-Gelenk-Ruptur, DD Verletzung/Zerreißung der Gelenkkapseln C1/C2, Lig. apicis dentis / Lig. cruciatum atlantis / M. tectoria.
    Bei Integrität der Kopfgelenke, insb. der M. atlantoaxiabs anterior, des Lig. apicis dentis, des Lig. cruciatum atlantis, der Membrana tectoria, der Ligg. alaria und der Gelenkkapseln C1/C2 muss der Abstand zwischen Dens axis und der Massa lateralis beidseits gleich (d.h. der Dens stets zentriert) bleiben, auch bei Lateralflexion. Dens-Assymmetrie als Zeichen einer Instabilitätsverletzung”

    Beispiel einer Instabilität, bzw. Verletzung von Haltestrukturen:
    http://www.kopfgelenke.org/24/2008/12/16/talk-functional-radiology-setl/

    Die hier beschriebene Röntgentechnik zeigt nicht zwangsläufig vorhandene Instabilititätsverletzungen. Maskierungen können durch komplexe Verletzungsmuster, die nicht im AP-Strahlengang sichtbar werden, durch fehlerhafte Projektionen, falsche Haltungspositionen, aber auch durch eine gewisse Schutzspannung der Haltemuskulatur des Patienten entstehen.
    Daher empfiehlt sich auch bei negativem Befund ein Funktions-CT und/oder ein Funktions-MRT


3. Funktionelle Kernspin-Tomographie der oberen Halswirbelsäule und des kraniozervikalen Übergangs (Funktions-MRT der Kopfgelenke) zur Beurteilung

  1. der Integrität der Gelenkkapseln CO/Cl, C1/C2, C2/C3 auch unter Funktion;
  2. insbesondere des Dens-Gelenks auch unter Funktion
  3. Beurteilung der Membrana atlantooccipitalis anterior, Membrana atlantoaxialis anterior, des Ligamentum apicis dentis, des Ligamentum cruciatum atlantis (e. des Ligamentum transversum atlantis), der Membrana tectoria, derÄ Ligamenta alaria

    auf Faserstrukturveränderungen oder nicht durchgängige Darstellung von Bändern und Gelenkkapseln; Gelenkkapselrupturen, Ligamentrupturen, Strukturveränderungen?

    Insb. auch in Lateralflexion und Rotation (Versuch die LateralflexionA durch den Radiologen gezielt im Bereich C0 bis C2 zu erwirken) oder nach fachlicher Kompetenz des Kollegen


4. Funktions-CT

  • Liegeposition: Lateralflexion, Versuch die LateralflexionA durch den Radiologen gezielt im Bereich C0 bis C2 zu erwirken und ggf. leichte Rotation zur kontralateralen Seite
  • Axiale Schnittfolge in 1 mm-Schnitten und koronale Abbildungen, sowie 3D-Rekonstruktion bspw. mit PC-Doctor o.ä.


5. Neurootologische Untersuchung zur Feststellung von Fehlfunktion der Sinnesorgane durch Instabilität der Kopfgelenke

Therapie

Je nach Ausmaß der Instabilitätsverletzung, subjektivem Leidensdruck oder Bedrohlichkeit (auch der subjektiven Bedrohlichkeit)

  1. Bei frischen Verletzungen eventuell Versuch der absolut rigiden Fixierung mit fester Orthese (z.B. Halo-Fixateur, Jerome Cervical Miami-J, Stifneck, Philadelphia Cervical Collar ist wegen mangelhafter Anpassbarkeit nicht empfehlenswert) über 6-12 Monate;
    beim Tragen der Halskrause Kiefer geschlossen halten, da Öffnen des Mundes zur Beanspruchung des okzipito-atlanto-axialen Segmentes führt.

    Keinerlei “Mobilisierungsübungen, Kräftigungsübungen, Bewegungen; da eine ligamentäre Verletzung wohl durch konsequente Immobilisierung heilen kann.
  2. Bei lange zurückliegenden Verletzungen mit bleibender Instabilität, die nicht subjektiv oder objektiv bedrohlich ist, bzw. nicht progressiv zu psychischen oder physischen Störungen führt:
    1. Ebenfalls Versuch, über viele Monate rigide zu stabilisieren durch feste Halskrause, dabei keine körperlichen Belastungen, z.B. auch PC-Arbeit (führt zu muskulärer Dysbalance; am besten Arme und Schultern hängen lassen; Schulterblätter nach unten/zusammen
    2. Spirituelle Behandlungskonzepte (??)
    3. OP ~
  3. Bei (auch subjektiv) bedrohlichen Zuständen
    Bei Verdacht auf eine Instabilität der oberen HWS / der Kopfgelenke oder
    bei Verdacht auf Verletzung von Gelenkkapseln oder Bändern,
    auch bei nicht objektivierbarem subjektiven Leidensdruck empfehle ich eine
    1. Temporäre Stabilisierungs-Operation von C0 (Kopf) bis C4 (wegen besserer Statik nicht nur bis C2).
      Diese Operation ist im allgemeinen vertretbar und reversibel. Die Operation kann dorsal als Stab- oder Plattensystem instrumentiert werden; z.B. durch Okziputplatte oder Okziputstäbe zusammen mit Magerischrauben oder Isthmus-Verschraubung, sowie Pedikelschrauben in C3 und C4.
    2. Sollten sich die Beschwerden daraufhin bessern, oder die Lebensqualität steigen, sollte unbedingt eine Zweitoperation erfolgen, bei der der Bereich zur knöchernen Durchbauung (“Spondylodese”) vorbereitet wird; z.B. mit autologem Knochen, Actifuse, Dibotermin o.ä., da die Erfahrung lehrt, dass Schrauben durch Materialermüdung oftmals irgendwann brechen, insb. transartikuläre C1/C2- Schrauben.

      Solche Stabilisierungsoperationen sind bei ausgeprägtem Leidensdruck und Vorliegen von “subjektiven” Beschwerden wie haltungsabhängigen Kopfschmerzen oder Sehstörungen auch ohne adäquaten organischen Befund vertretbar, da Kopfgelenksinstabilitäten häufig sehr schwer zu erkennen sind und sehr subtil sein können und sich einer Diagnose oftmals entziehen.

      D.h. es gibt wohl viele Fälle, bei denen kein organischer Befund erhoben werden kann außer den Aussagen des Patienten.

      Ärzte, die solche Stabilisierungsoperationen durchführen, sind in diversen Wirbelsäulenzentren zu finden

Ergänzende Untersuchungsmethoden


Ergänzend zur neurologischen Abklärung

Untersuchung auf infektiöse, cerebrovaskuläre, insbesondere ischämische Ursachen im Bereich des ZNS

  1. Ausschluss spezifischer neurologischer Erkrankungen, z.B. NMR-Bildgebung mittels MRT (Kemspin-Tomographie) und MR-Angiographie (Kernspin-Tomographie mit kontrastierter Gefäßdarstellung oder Bolus-/Flußdarstellung) von Gehirn und Halsgefäßen
  2. Ausschluss: Vertebralisdissektion, Aneurysmen, A. vertebralis-Fenestration, Subclavian-Steal- Syndrom (Strömungsumkehr), u.a. mittels Kemspin-Angiogramm (MR-A) und zusätzlicher Farbduplex-Sonographie; soweit möglich in verschiedenen Kopfhaltung (insb. Seitneigung)


Ergänzend zur orthopädischen Abklärung

  1. HWS-Röntgen in 4 Ebenen
  2. HWS-Funktionsaufnahmen in Anteflexion und Retroflexion
  3. MRT (Kemspin-Tomographie) der Halswirbelsäule unbedingt nötig.
    Bei instabilen Verletzungen der Haltestrukturen im Bereich der Kopfgelenke sind diese Untersuchungen sehr sehr häufig befundarm oder befundfrei
  4. Spezielles Funktions-Röntgen vorzugsweise unter Bildwandler in Form einer Densprojektion bei massiver Lateralflexion (Seitenneigung des Kopfes) bei geöffnetem Mund, wie andernorts in dieser Website beschrieben:

    V.a. Instabilität okzipito-atlanto-axial, bzw. Weichteilläsion im Bereich der Ligg. alaria/apicis dentis/Gelenkkapseln C0/C1/C2. Anteroposteriore Dens-Projektion durch geöffnetem Mund mit leicht nach vom und ausgeprägt zur Seite geneigtem Kopf, Abbildung Kondylen des Hinterhauptsbeines bis C3. Bds. Zur Lage-Beurteilung des Dens zu den Massae laterales CI. Neigt sich Dens axis seitlich gegen Massa lateralis?”

 

Wenn bisher alle Untersuchungen ohne nennenswerten Befund im Bereich der Kopfgelenke sind:


Ergänzend zur neurootologischen Abklärung

Untersuchung der Sinnesorgane auf hypoxische oder diffuse, bzw. unmarkante Störungen hin


Ergänzend zur Funktions-MRT Abklärung

Das Funktions-MRT der Kopfgelenke stellt die wichtigste Untersuchung bei der Beurteilung der Integrität der Kopfgelenke dar.

Untersuchung auf Strukturveränderungen der Bänder und Gelenkkapseln: Untersuchung der Alarligamente, des Lig. apicis dentis, der Gelenkkapseln, des Dens-nahen Gelenks, des Lig. transversum atlantis

Untersuchung in Rotationsstellung+Anteflexion+Retroflexion+Seitenneigung Zusätzlich Beurteilung der Arteria vertebralis in diesen Positionen: z.B. auf “rotational vertebral artery occlusion”, Okklusionen der Vertebralarterien können durch atlantoaxiale Subluxationen oder translatorische Gegenbeweglichkeiten entstehen oder auch bei Verlust der anatomischen Zuggurtung der Wirbel


Ergänzend zur Funktions-CT Abklärung

Funktions-CT des kraniozervikalen Übergangs, oder der HWS gesamt mit axialer Schnittfolge und plastischer Rekonstruktion


Ergänzend eventuell Glueose-Utilisations-PET metabolischen Abklärung

 

Rekonstruierte Seite beruht auf der Fassung vom 12. März 2014
OP 2017: Absätze, Zwischenüberschriften und Textformatierungen eingefügt, um die Lesbarkeit zu verbessern.

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Rekonstruierte Seite beruht auf der Fassung vom 6. Feb. 2013
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