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2. Allgemeine Morphologie der Wirbel

12. Dezember 2008

Als Wirbel (lat. Vertebra) wird in der Anatomie das einzelne knöcherne Element der Wirbelsäule (Columna vertebralis) bezeichnet.

Der Wirbel besteht aus dem Wirbelkörper (Corpus vertebrae), dem Wirbelbogen (Arcus vertebrae), zwei Querfortsätzen (Processus transversi) - jeweils ein Fortsatz zur rechten und zur linken des Wirbelkörpers, dem Dornfortsatz (Processus spinosus) und vier Gelenkfortsätzen (Processus articulares), zwei nach oben und zwei unten gelegen.

Die Wirbelkörper jeweils zweier benachbarter Wirbel sind mit Ausnahme des Atlas-Axis-Bewegungssegmentes1 und der miteinander verwachsenen Kreuz- und Steißbeinwirbel durch eine Zwischenwirbelscheibe (Discus intervertebralis) miteinander verbunden. Außerdem fehlt zwischen Hinterhauptsbein und Atlas die Zwischenwirbelscheibe.

Grundform der Wirbel

Die Wirbel der Halswirbelsäule bestehen, mit Ausnahme des ersten Halswirbels (Atlas), aus dem bauchwärts (ventral) gelegenen Wirbelkörper (Corpus vertebrae) und dem zum Rücken zeigenden (dorsalen) Wirbelbogen (Arcus vertebrae); beide umschließen zusammen das Wirbelloch (Foramen vertebrale). Das Wirbelloch wird zur Bauchseite (ventral) somit vom Wirbelkörper begrenzt, dorsal vom Wirbelbogen.

Die aneinander gereihten Wirbellöcher der einzelnen Wirbel bilden in der Wirbelsäule den längs verlaufenden Wirbelkanal oder Spinalkanal (Canalis vertebralis), in den das Rückenmark (Medulla spinalis) mitsamt seinen Hirnhäuten (Meningen encephali) und dem Gehirnwasser (Liquor cerebrospinalis) eingebettet und so gegen äußere Einwirkungen geschützt ist.

Spezialformen der Halswirbel bilden die ersten (obersten) beiden Halswirbel Atlas2 und Axis3. Der Atlas verzichtet auf einen Wirbelkörper, der Axis zeichnet sich durch seinen einzigartigen Zahnfortsatz (Dens axis) aus.

Wirbelkörper

Die Wirbelkörper (Corpora vertebrae) sind kurze zylindrisch geformte Strukturen eines Wirbels. An den zu den benachbarten Wirbeln zeigenden Flächen (Facies intervertebralis superior und Facies intervertebralis inferior) sind sie jeweils mit einer hyalinknorpeligen4 Deckplatte5 versehen. Zwischen diesen Deckplatten sind benachbarte Wirbel mit einer Zwischenwirbelscheibe (Discus intervertebralis) symphytisch6 sowie über zwei Bänder, das vordere und hintere Längsband (Ligamentum longitudinale anterius und Ligamentum longitudinale posterius), durch Bindegewebe untereinander verbunden. Am Wirbelkörper setzt der Wirbelbogen (Arcus vertebrae) mit seinen Wirbelbogenfüßchen (Pediculi arcus vertebrae) an. Zwischen der zum Rücken weisenden (dorsalen) Wirbelkörperfläche und dem Wirbelbogen erstreckt sich das Wirbelloch (Foramen vertebrale). Die Wirbelkörper erfüllen die eigentliche Stützfunktion innerhalb der Wirbelsäule, ihre Aufgabe ist es also, die Körperlast zu tragen. Zusammen mit den Zwischenwirbelscheiben (Disci intervertebrales) bilden Sie die Stütze für Rumpf, obere Extremität und Kopf.

An den Endflächen des Wirbelkörpers springen wulstartig die sogenannten Randleisten (Epiphysen des Wirbelkörpers) hervor. Die Dorsalfläche der Wirbelkörper ist nahezu eben, die Seiten- und Vorderfläche etwas konkav ausgehöhlt.

Die den Wirbelkörper umgebende Substantia compacta7 ist in der Regel äußerst dünn. Die im Inneren liegende Substantia spongiosa8 ist mit ihren Bälkchen hauptsächlich in der vertikalen Ebene entlang der biomechanischen Hauptspannungsrichtungen ausgerichtet und enthält das rote Knochenmark.

Wirbelbogen

Der Wirbelbogen (Arcus vertebrae) ist knöcherner Bestandteil eines jeden Wirbels der Wirbelsäule. Er zeigt sich als bogenförmiger Abschnitt auf der dem Rücken zugewandten (dorsalen) Seite des Wirbels. Der Wirbelbogen setzt an beiden Enden mit kräftigen Wirbelbogenfüßchen (Füßchen, Bogenwurzeln, Pediculi arcus vertebrae) am Wirbelkörper (Corpus vertebrae) an, die sich beidseits über die abgeplatteten Laminae (Laminae arcus vertebrae) fortsetzend, den Bogen bildend, in der Mittellinie verbinden. An der Fusionsstelle der beiden Laminae entspringt der unpaarige Dornfortsatz (Processus spinosus).

Der Wirbelbogen umschließt den größeren Teil des Wirbelloches (Foramen vertebrae). Die Wirbelbögen (Arcus vertebrae) bilden in ihrer Gesamtheit den Wirbelkanal (Canalis vertebralis) und schützen in Form eines flexiblen Knochenrohrs das in ihm enthaltene Rückenmark vor Schädigungen. Darüber hinaus trägt der Wirbelbogen die vier Gelenkfortsätze (Processus articulares) des Wirbels, die die Beweglichkeit der Wirbelsäule ermöglichen, sowie die beiden Querfortsätze (Processus transversi). Die Fortsätze der Wirbelbögen dienen der mit ihnen verbundenen Rückenmuskulatur als Hebelarme.

Fortsätze des Wirbelbogens

Von Wirbelbogen gehen folgende Fortsätze ab:

  • der nach hinten (dorsal) gerichtete Dornfortsatz (Processus spinosus) * zwei Querfortsätze (Processus transversi, sg. Processus transversus)
  • vier Gelenkfortsätze (Processus articulares) zur gelenkigen Verbindung von jeweils benachbarten Wirbeln
    • zwei obere Gelenkfortsätze (Processus articulares superiores, sg. Processus articularis superior) zur gelenkigen Verbindung9 mit den beiden unteren Gelenkfortsätzen des darüberstehenden Wirbels
    • zwei untere Gelenkfortsätze (Processus articulares inferiores, sg. Processus articularis inferior) zur gelenkigen Verbindung10 mit den beiden oberen Gelenkfortsätzen des nachfolgenden Wirbels

Am Wirbelbogenfüßchen (Pediculus arcus) ist oben eine relativ flache Einziehung/Einkerbung des Knochens (Incisura vertebralis superior) und unten eine tiefe (Incisura vertebralis inferior) erkennbar. Zwei gegenüberliegende Incisurae (superior und inferior) benachbarter Wirbel bilden zusammen das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale), durch das der Spinalnerv (Nervus spinalis) austritt. Die Zwischenwirbellöcher (Foramina intervertebralia) sind paarige Öffnungen des Wirbelkanals (Canalis vertebralis), die also von jeweils zwei benachbarten, miteinander artikulierten Wirbeln gebildet werden.

Die Ligamenta flava sind jeweils zwischen den Wirbelbögen ausgespannt und wurden deshalb früher auch als Ligamenta interarcualia bezeichnet. Sie grenzen damit das jeweilige Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale) zur Mitte (medial) und nach hinten (dorsal) ab. Ihre gelbliche Farbe wird durch scherengitterartig angeordnete, elastische Fasern hervorgerufen, die zum größten Teil diese Bänder bilden. Auch im Ruhezustand sind diese Bänder gespannt. Bei der Beugung der Wirbelsäule werden sie dann stärker gedehnt und helfen somit beim Wiederaufrichten.

Fortsätze der Halswirbel

Dornfortsatz

Der Dornfortsatz (Processus spinosus) ist ein unpaariger vom Wirbelbogen (Arcus vertebrae) ausgehender rückenwärts (dorsal) gerichteter Fortsatz eines Wirbels. Er entspringt am Fusionspunkt der beiden Laminae arcus vertebrae des Wirbelbogens.

Der erste Halswirbel (Atlas) hat keinen Dornfortsatz, statt dessen ein Tuberculum posterius. An den Dornfortsätzen (Processus spinosi) setzen Bänder (Ligamentum interspinale beziehungsweise Ligamentum supraspinale) an sowie Faszien und ein Teil der Rückenmuskeln. Man kann die Dornfortsätze leicht als feste Erhebungen am Rücken ertasten.

Der Dornfortsatz des siebten Halswirbels ist besonders lang und so ist dieser Wirbel unter der Haut eindeutig als Vertebra prominens zu ertasten.

Querfortsätze

Die paarigen Querfortsätze (Processus transversi, sg. Processus transversus) ziehen als knöcherne Fortsätze vom Wirbelbogen (Arcus vertebrae) entspringend entgegengesetzt quer nach lateral (zur Seite) und dorsal (zur Rücken zugewandten Seite). Sie dienen, wie auch der Dornfortsatz (Processus spinosus) zum Ansatz von Bändern (z. B. Ligamenta intertransversaria), Faszien und Muskeln. Bei den Brustwirbeln bilden die Querfortsätze auch eine gelenkige Verbindung zur gleichzahligen Rippe.

Querfortsatzkanal (Canalis transversarius)

Die Querfortsätze des sechsten bis inklusive des ersten Halswirbels sind in Längsrichtung durch ein Loch, das sogenannte Querfortsatzloch (Foramen transversarium; synonym: Foramen processus transversi, Foramen vertebroarterialis) durchbohrt. Die Querfortsatzlöcher (Foramina transversaria) bilden in ihrer Gesamtheit den Querfortsatzkanal (Canalis transversarius), durch den die hirnversorgende Vertebralarterie (Arteria vertebralis) und deren Begleitvene (Vena vertebralis) sowie der sympathische Nervus vertebralis11 ziehen.

Bei Blockaden werden die Querfortsätze mit rotiert und sorgen so für eine Verengung des Spinalnerven-Austritts, die zu starken Schmerzen führen kann. Auch bei der Skoliose (Seitenverdrehung der Wirbelsäule) sind die Querfortsätze erheblich rotiert und können anfangs - im frühen Kindesalter (8.-10. Lebensjahr) - oft nur mit einem Korsett abgefangen werden.

Gelenkfortsätze

Die vier Gelenkfortsätze (Processus articulares) des Wirbelbogens (Arcus vertebrae) bilden als Knochenvorsprünge (Processus) mit knorpelüberzogenen Gelenkflächen (Facies articulares) die echten Gelenke12 zwischen den einzelnen Wirbeln, die Zwischenwirbelgelenke (Articulationes processuum articularium). Man unterscheidet zwei nach oben gerichtete (Processus articulares superiores) und zwei nach unten gerichtete (Processus articulares inferiores) Gelenkfortsätze, wobei jeweils der untere Gelenkfortsatz (Processus articularis inferior) mit dem gleichseitigen oberen Gelenkfortsatz (Processus articularis superior) des nachfolgenden Wirbels in gelenkiger Verbindung steht.

Gelenkflächen der Gelenkfortsätze

Als Gelenkfläche wird das mit Knorpelgewebe13, dem sogenannten Gelenkknorpel, überzogene Ende eines Knochens bezeichnet, das an einem Gelenk beteiligt ist. Im Falle der Halswirbel stellen die Gelenkfortsätze (Processus articulares) diese Knochenenden dar, die mit Gelenkknorpel überzogen, die Gelenkflächen bilden. Jeweils eine untere Gelenkfläche bildet mit der gleichseitigen oberen Gelenkfläche des nachfolgenden Wirbels ein paariges Zwischenwirbelgelenk (Articulatio zygapophysialis).

Die Zwischenwirbelgelenke

Die Zwischenwirbelgelenke (Facettengelenke, kleine Wirbelgelenke, Wirbelbogengelenke, Articulationes processuum articularium oder Articulationes zygapophysiales) bilden als kleine paarige Gelenke echte gelenkige Verbindungen zwischen benachbarten Wirbeln. Gemeinsam mit den Zwischenwirbelscheiben (Disci intervertebrales) und den Wirbelsäulenbändern bilden sie eine funktionelle Einheit. Das Zwischenwirbelgelenk (Articulatio zygapophysialis) ist ein echtes Gelenk14 und von einer Gelenkkapsel15 umschlossen.

Bei den Zwischenwirbelgelenken handelt es sich um sogenannte »plane Gelenke« oder »Facettengelenke«, mit relativ weiter Gelenkkapsel, bei denen die Bewegung parallel zu den Gelenkflächen (Facies articulares) erfolgt und die deshalb auch als »Schiebegelenke« bezeichnet werden.

Die Gelenkflächen der Zwischenwirbelgelenke liegen auf den beiden unteren und den beiden oberen Gelenkfortsätzen (Processus articulares inferiores und Processus articulares superiores). Im Bereich der Halswirbelsäule stehen die Gelenkflächen beinahe in der Frontalebene, die oberen Gelenkfortsätze (Processus articulares superiores) mit ihren Gelenkflächen weisen nach dorsal und etwas nach kranial. Die Gelenke ermöglichen eine ausgeprägte Rotationsbewegung der Halswirbelsäule.

Die Artikulation besteht jeweils zwischen den Gelenkflächen der unteren Gelenkfortsätze (Processus articulares inferiores) eines Wirbels und der Gelenkflächen der oberen Gelenkfortsätze des nachfolgenden Wirbels.

In ihrer Gesamtheit ermöglichen die Zwischenwirbelgelenke der Wirbelsäule drei Freiheitsgrade:

  • Flexion und Extension in der Sagittalebene (Vor- und Rückbeugung)
  • Lateralflexion in der Frontalebene (Seitneigung)
  • Rotation

Eine verschleißbedingte Verknöcherung der Zwischenwirbelgelenke wird als Spondylarthrose bezeichnet.

Zwischenwirbellöcher

Am Wirbelbogenfüßchen (Pediculus arcus) des Wirbelbogens (Arcus vertebrae) ist oben eine relativ flache Einziehung/Einkerbung des Knochens (Incisura vertebralis superior) und unten eine tiefe (Incisura vertebralis inferior) erkennbar. Zwei gegenüberliegende Incisurae (superior und inferior) benachbarter Wirbel bilden zusammen das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale), durch das der Spinalnerv (Nervus spinalis) austritt. Die Zwischenwirbellöcher (Foramina intervertebralia) sind paarige Öffnungen des Wirbelkanals (Canalis vertebralis), die also von jeweils zwei benachbarten, miteinander artikulierten Wirbeln gebildet werden.

Die Zwischenwirbellöcher im Bereich der Halswirbelsäule sind relativ klein, nach kaudal werden sie größer. Durch das Zwischenwirbelloch ziehen jeweils ein Spinalnerv (Nervus spinalis) und kleinere Gefäße.

Wirbelkanal

Der knöcherne Wirbelkanal (Canalis vertebralis), der vom Hinterhauptsbein (Os occipitale) über das großen Hinterhauptsloch (Foramen magnum) durch die Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule bis zum Kreuzbein zieht, dient dem Schutz des Rückenmarks vor äußeren Einwirkungen.

Vorderseitig (ventral) wird der Wirbelkanal abwechselnd durch knöcherne Wirbelkörper (Corpora vertebrae) und Zwischenwirbelscheiben (Disci intervertebrales), rückseitig (dorsal) durch die an den Wirbelkörpern ansetzenden knöchernen Wirbelbögen (Arcus vertebrae) begrenzt. Dabei werden die Wirbel sowohl über Verwachsungen mit den Zwischenwirbelscheiben, als auch über Bandstrukturen (Ligamenta) beweglich fixiert.

Die segmentalen Spinalnerven (Nervi spinales; pl. Nervus spinalis) verlassen die Wirbelsäule über paarige Austrittsöffnungen, den Zwischenwirbellöchern (Foramina intervertebralia), die jeweils durch Einkerbungen (Incisurae) an den Wirbelbogenfüßchen (Pediculi arcus vertebrae) zweier benachbarter miteinander artikulierender Wirbel (Vertebrae) gebildet werden.

Der segmentale Aufbau der Wirbelsäule aus einzelnen Funktionseinheiten16 ermöglicht die Ausführung komplexer Bewegungsmuster, ohne das spinale Nervensystem zu schädigen.

Durch die Struktur des Wirbelkanals wird ein wirksamer Schutz des empfindlichen Nervengewebes gegenüber äußeren Einflüssen gewährleistet.

Durch Verletzungen, Fehlbelastungen oder krankhafte Prozesse kann es zu Störungen innerhalb des Wirbelkanals kommen. Durch Kompressionen aufgrund fixierter oder instabiler Dislokationen (insbesondere bei Schädigung von Haltestrukturen der Wirbelsäule), Frakturen (insbesondere bei Unfällen oder bei der Osteoporose), degenerative Prozesse (rheumatoide und arthrotische Veränderungen, insbesondere der Spondylarthrose17, sowie Höhenminderungen verschiedener Ursachen) und wuchernden Prozessen kann es zu Beeinträchtigungen innerhalb des Rückenmarks und im Bereich der Austrittstellen der Spinalnerven kommen. Überdies können dadurch vaskuläre Strukturen insbesondere der Halswirbelsäule (Kompression der Vertebralarterien und ihrer Begleitvenen) in Mitleidenschaft gezogen werden.

Text rekonstruiert aus Sicherheitskopie Die Halswirbelsäule auf Wikibooks.
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